Der Baader Meinhof Komplex

Deutschland 2007/2008 Spielfilm

Inhalt

Deutschland in den 1970er Jahren. Andreas Baader, Ulrike Meinhoff und Gudrun Ensslin, Kinder der "Nazi-Generation", beginnen einen Kampf gegen all das, was sie als "neuen Faschismus" betrachten: Die amerikanische Vietnam-Politik, die Ausbeutung der Dritten Welt und die Haltung des Westens zum schwelenden Nahost-Konflikt. Dabei kommt es in der Gruppe zu einer immer stärkeren Radikalisierung, aus der schließlich die Rote-Armee-Fraktion (RAF) entseht – eine Terrorgruppe, die das Land mit zunehmend blutigeren Attentaten überzieht und prominente Vertreter aus Politik und Wirtschaft ermordet. Auf der anderen Seite steht Horst Herold, Leiter des Bundeskriminalamtes, der die Taten der Gruppe scharf verurteilt und die RAF erfolgreich jagt, zugleich aber versucht, die Motivationen der Terroristen zu verstehen.

 

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Heinz17herne
Heinz17herne
Stefan Austs Buch „Der Baader Meinhof Komplex“ hat seit seinem Erscheinen 1985 wie kein anderes das heutige Bild vom „Krieg“ der „RAF“ gegen den als faschistisch empfundenen Staat geprägt. Und das weder als Anklageschrift noch als Verteidigungsplädoyer, sondern als eine Chronik der Ereignisse ohne moralische oder juristische Kommentierung. Dieser Vorlage versuchte Bernd Eichingers Film über den „Deutschen Herbst“ mit 123 Sprech- und 52 kleineren Rollen gerecht zu werden – und löste eine Welle der Emotionen aus, besonders bei den seinerzeit noch unmittelbar betroffenen Tätern und Opfern sowie deren Angehörigen. Ein heutiges Publikum kennt den „Mythos RAF“ nur noch von T-Shirts und anderen kommerziellen Accessoires.

Juni 1967. Ulrike Meinhof, Starkolumnistin der linken „Spiegel“-Alternative „konkret“, verteilt Flugblätter gegen den Deutschlandbesuch des Schah von Persien. Bei dem es in Berlin zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und bestellten „Jubelpersern“ kommt. Die Tatenlosigkeit der Polizei ist Auslöser einer ganzen Kettenreaktion von Gewalt, die im Tod des Studenten Benno Ohnesorg mündet. Neben immer wieder zwischen die Spielfilm-Szenen montierten Dokumentaraufnahmen etwa aus der „Tagesschau“ gelingen Rainer Klausmann hier mit subjektiver Kameraeinstellung suggestive Bilder von Gewalt, die Gegengewalt provoziert, was in einem unauflösbaren Chaos endet.

Mit weitreichenden Folgen der Radikalisierung einer Generation, welche die Nazi-Vergangenheit ihrer Eltern nicht verarbeitet hat, wohl auch nicht verarbeiten konnte mangels Dialogbereitschaft auf beiden Seiten, und die nun ihren Hass auf den von ihr als faschistisch verunglimpften Staat lenkt. Der sich noch steigert, als der sozialistische Studentenführer Rudi Dutschke auf offener Straße angeschossen und schwer verletzt wird. Ulrike Meinhof schließt sich den bewusst gewalttätigen Protesten gegen den marktbeherrschenden Springer-Verlag an, weil die „Bambule“-Autorin erkannt hat, dass sie mit Worten nichts bewegen kann – bei den katastrophalen Zuständen in der Fürsorge wie überhaupt in gesellschaftspolitischen Fragen.

Ulrike Meinhof zeigt sich zunehmend fasziniert von der Konsequenz der Studentin Gudrun Ensslin, die gemeinsam mit ihrem Freund Andreas Baader als Protest gegen den Vietnamkrieg der US-Amerikaner ein Kaufhaus in Brand gesetzt hat. Sie gewährt beiden Unterschlupf und gründet mit ihnen die „Rote Armee Fraktion“ (RAF), die sich zum bewaffneten Widerstand gegen den Staat entschließt und dafür die Solidarität mit internationalen revolutionären Bewegungen beschwört, die es so freilich nie gegeben hat.

Die Zahl der Toten und Verletzten nach Banküberfällen und Anschlägen steigt mit der Hysterie der Medien. Der Leiter des Bundeskriminalamts, Horst Herold, baut als oberster Terroristenjäger einen gewaltigen Fahndungsapparat auf, mit dessen Hilfe er 1972 Baader, Ensslin und Meinhof sowie die meisten Mitglieder der so genannten „ersten Generation“ der RAF festnehmen kann. Sie entwickeln im Gefängnis so etwas wie ein politisch-theoretisches Konzept – und eine Strategie, um aus der Gefangenschaft heraus weiter agieren zu können.

In der Tat vergrößert sich nicht nur der Sympathisantenkreis, sondern es treten auch neue, junge Mitglieder der RAF bei. Als Holger Meins während eines Hungerstreiks stirbt, wird am nächsten Tag Berlins oberster Richter Günter von Drenkmann in einem Racheakt erschossen. Im April 1975 besetzt das „Kommando Holger Meins“ die deutsche Botschaft in Stockholm, um die RAF-Gefangenen in Stuttgart-Stammheim freizupressen. Die Geiselnahme endet blutig: Zwei Botschaftsangehörige werden erschossen, ein RAF-Terrorist kommt sofort ums Leben, ein weiterer erliegt wenige Tage später seinen schweren Verletzungen. Alle weiteren Mitglieder des Terrorkommandos werden verhaftet.

Im Mai 1975 beginnt im Stammheimer Hochsicherheitstrakt der Prozess gegen die RAF-Gründer Meinhof, Baader, Ensslin und Jan-Carl Raspe, die für die Außenwelt längst zu politischen Ikonen geworden sind. Innerhalb der Gruppe aber steigen die Spannungen. Im Mai 1976 wird Ulrike Meinhof erhängt in ihrer Zelle aufgefunden und der Mythos vom geplanten Mord durch den Staat, der sich in bestimmten Kreisen bis heute hält, wird geboren. Er setzt eine Spirale der Gewalt in Gang, die im Herbst 1977 ihren Höhepunkt erreicht: Sechs Wochen nach der Entführung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer wird eine Lufthansa-Maschine gekapert, um die RAF-Häftlinge freizupressen. Das Spezialkommando GSG 9 befreit die Flugzeuggeiseln in Mogadischu. Am nächsten Morgen werden Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe tot in ihren Zellen aufgefunden - und Hanns Martin Schleyer wird von RAF-Mitgliedern in einem Waldstück an der französischen Grenze erschossen...

Bernd Eichinger und Uli Edel verstehen das Deutschland der 1970er Jahre in „Der Baader Meinhof Komplex“ weniger als bleierne denn als bleihaltige Zeit. Moritz Bleibtreu gibt Andreas Baader denn auch als „Ballermann Sex“, stets an seiner Seite Johanna Wokalek als Gudrun Ensslin. Der hochkarätig besetzte Streifen nach Stefan Austs gleichnamigem Buch räumt mit dem in Stammheim geborenen „Mythos RAF“ gründlich auf, indem er die Sinnlosigkeit der Gewaltspirale offenbart – gerade auch aus der Binnensicht der Terroristen.

Dem Film ist eine ganze Menge zum Vorwurf gemacht worden und zumindest zwei Kritikpunkte werden von mir geteilt – und zugleich mit dem Zwang, ein so komplexes, heute noch immer starke Emotionen hervorrufendes zeitgeschichtliches Kapitel binnen hochspannender 150 Minuten auch nur einigermaßen adäquat auf die Leinwand zu bringen, entschuldigt: Zum einen die Fixierung auf die Ansichten und Taten der RAF-Terroristen und das weitgehende Ausblenden des Staates (mit Ausnahme Horst Herolds) und der Gesellschaft, zum anderen der sehr grobe Zeitraffer in der zweiten Hälfte des Films.

Olympia-Attentat der Palästinenser, Buback- und Schleyer-Entführung, Lufthansa-Sturm in Mogadischu, die schwierige Anbindung der verschiedenen RAF-„Generationen“ und die Entlassung Brigitte Mohnhaupts, die zahlreichen unkommentiert bleibenden Dokfilm-Schnipsel mit Politikern wie Kiesinger, Brandt oder dem damaligen NRW-Innenminister Hirsch – eine Überforderung. Eine durchaus unnötige, denn ein Spielfilm kann keine wissenschaftlich gesicherte Dokumentation ersetzen und sollte das auch gar nicht erst anstreben.

Pitt Herrmann

Credits

Regie

Drehbuch

Darsteller

Produzent

Alle Credits

Regie

Drehbuch

Drehbuch-Mitarbeit

Material-Assistenz

Storyboard

Kostüme

Schnitt-Assistenz

Beratung

Spezialeffekte

Darsteller

Produzent

Executive Producer

Herstellungsleitung

Associate Producer

Dreharbeiten

    • 08.08.2007 - 03.12.2007: Berlin, Stuttgart, München, Prag, Italien, Marokko; Bavaria-Atelier München-Geiselgasteig
Länge:
4102 m, 150 min
Format:
35mm, 1:1,85
Bild/Ton:
Farbe, Dolby
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 03.09.2008, 115014, ab 12 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (DE): 16.09.2008, München;
Kinostart (DE): 25.09.2008;
TV-Erstsendung (DE): 22.11.2009, ARD [Teil 1];
TV-Erstsendung (DE): 23.11.2009, ARD [Teil 2];
Aufführung (DE): 02.04.2024 [Wiederaufführung]

Titel

  • Originaltitel (DE) Der Baader Meinhof Komplex

Fassungen

Original

Länge:
4102 m, 150 min
Format:
35mm, 1:1,85
Bild/Ton:
Farbe, Dolby
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 03.09.2008, 115014, ab 12 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (DE): 16.09.2008, München;
Kinostart (DE): 25.09.2008;
TV-Erstsendung (DE): 22.11.2009, ARD [Teil 1];
TV-Erstsendung (DE): 23.11.2009, ARD [Teil 2];
Aufführung (DE): 02.04.2024 [Wiederaufführung]

Auszeichnungen

Acadamy Awards 2009
  • Nominierung, Bester fremdsprachiger Film
Bayerischer Filmpreis 2009
  • Produzentenpreis für den "Besten Film"